- Offizieller Beitrag
Bewusstwerdung - Realisation der ganz besonderen Art
Es ist eine dieser NÀchte. Eine Nacht der NÀchte, die man nie vergisst. Alles fÀngt ganz harmlos an, scheinbar wie immer, wie jede Nacht.
Vielleicht ist man grade allein, oder der Partner schlÀft schon lange. Es ist kein Vollmond.
Eine ganz gewöhnliche, dunkle Nacht. Man dreht sich um, will schlafen, doch die Gedanken kreisen um irgendein Ereignis vom letzten Tag, der letzten Zeit, wichtig oder unwichtig; es scheint selbst das ist nicht wichtig. Man wĂ€lzt sich hin und her. Steht auf, geht aufs Klo, raucht noch eine Zigarette, freut sich nun endlich im weichen Bett einschlafen zu dĂŒrfen. Doch darf man nicht einschlafen, noch nicht.
Irgendetwas, irgendeine dunkle Macht hÀlt dich wach. Du hÀngst deinen Gedanken nach, machst die Augen zu, und schon wieder auf, weil die Schattenspiele an den WÀnden viel, viel interessanter sind zu beobachten, als jetzt und hier in tiefen erholsamen Schlaf zu versinken. Gedanken kommen und gehen.
Das selbe Spiel wie zuvor, aufstehen, ein Glas Orangensaft trinken, eine rauchen, hinlegen, und dann schlafen; schlafen wollen, aber doch nicht können. Du hörst dein Herz in der Brust pochen. SpÀtestens jetzt weisst du, das wird lange nicht klappen.
Eine Ablenkung wird helfen. Dann schaust du dich um, achja, da neben in der Ecke hatte man nach dem Einzug noch eine Kiste stehen, ein Pappkarton, und eine Tasche mit WĂ€sche. Zuerst die WĂ€sche, aber was ist das? Da ist nicht nur WĂ€sche drin, die man all die letzten Jahre nicht mehr getragen hat, sondern auch allerlei andere SchĂ€tze aus der Vergangenheit. Ein Briefumschlag mit Telefonnummern von Bekannten, oder eher ehmaligen Zeitgenossen, die man vielleicht 15 Jahre, oder lĂ€nger nicht mehr gesehen oder gehört hat. Zwei Rasierapparate finden sich, wobei sich der eine bei genauerem Hinsehen als innerlich halb verrostet entpuppt. Der zweite sieht Ă€uĂerlich noch tadellos aus, also runter ins Bad, im Waschbecken reinigen und zum Trocknen hinlegen. Vielleicht hĂ€tte man ihn erst einmal testen sollen?
Wieder oben angelangt, sich hingesetzt und tief in die Tasche gelangt, was ist denn das? Ein uralter orangener Ausweis aus mittleren Jugendzeiten der Tanzschule Heidi Staab, sogar mit Ausweisfoto darin. Wow, sah ich damals gut aus. Wie gern hĂ€ttest du das jemand vorgezeigt. Wie oft hast du dich die letzten Jahre darĂŒber unterhalten, wie man damals aussah, daĂ man sich am Wochende in die Disco der Tanzschule drĂ€ngelte, was man tat und noch lieber miteinander gern getan hĂ€tte.
Was fĂŒr eine Erinnerung!
Die Gedanken kreisen schneller, genauso schnell wie dein Herz schlĂ€gt, und es schlĂ€gt dir bis zum Hals. Eine Zigarette wird den Dunst der Vergangenheit und Gegenwart auf natĂŒrliche Weise vertreiben. Aber es wird noch schlimmer. Du siehst neben dem Karton zwei UmschlĂ€ge mit Fotos und eine Minifotoalbum.
Jetzt schiesst du noch tiefer in die Vergangenheit, deine Vergangenheit. Nichts kann schöner, ergreifender, aber auch grauenhafter sein als die Vergangenheit. Denn die Fotos zeigen ein Spektrum deiner Vorfahren vom Anfang des 20.Jahrhunderts bis fast zu dessen Ende. Fast 100 Jahre Geschichte von Krieg und Frieden, kleinen Katastrophen und groĂen Feiern, Geburten und Beerdigungen, Generationen von bekannten und unbekannten Menschen huschen vor deinen Augen und gleichwohl im Geiste vorbei. Und du bist mitten drin.
Unweigerlich denkst du an das Leben der Menschen, auch deins, die Erfolge und die MiĂerfolge, Chancen und vertane Chancen. Beim letzten bleibst du hĂ€ngen, weil es zu genau in deine gegenwĂ€rtige Situation passt. Warum hast du es damals nur nicht getan? Ein Wort, ein Satz, eine Frage oder Einladung hĂ€tte die Geschichte Ă€ndern können. Es ist zu spĂ€t, die letzte Gegenwart war doch die schönste Zeit deines Lebens, wider jede Widrigkeiten und mit voller Liebe, die sich doch noch erfĂŒllt hat, auch ohne Ausweis mit Foto.
Es ist spÀt, jetzt sowieso, da schon der Morgen graut. Was hÀttest du alles tun können, was hast du vertan. Wie schön wenn man manchmal in die Vergangenheit schauen darf, um sich bewusst zu machen wie viele Chancen man noch hat, alles gut und noch besser zu tun. Tue es! Die Vögel fangen an zu zwitschern.
Das war meine Nacht, heute....